Den Dopaminspiegel stabilisieren
Bei Parkinson fehlt es im Gehirn an dem für reibungslose Bewegungen notwendigen Botenstoff Dopamin. Was im Verlauf der Erkrankung zu beachten ist, um diesen Mangel möglichst gleichförmig auszugleichen, erläutert Prof. Dr. Daniel Weiß, Leitung der Ambulanzen für fortgeschrittenes Parkinsonsyndrom, Tremor, Tiefe Hirnstimulation und Pumpentherapien des Universitätsklinikums Tübingen, im Interview.
Autor: Petra Sperling | 11/2021
Bei Parkinson fehlt es im Gehirn an dem für reibungslose Bewegungen notwendigen Botenstoff Dopamin. Was im Verlauf der Erkrankung zu beachten ist, um diesen Mangel möglichst gleichförmig auszugleichen, erläutert Prof. Dr. Daniel Weiß, Leiter der Ambulanz für Parkinsonsyndrom, Tremor, Tiefe Hirnstimulation und Pumpentherapien des Universitätsklinikums Tübingen, im Interview.
PARKOUR: Wie verändert sich bei Parkinson der Dopaminhaushalt?
Prof. Weiß: Das gesunde Gehirn stellt den Botenstoff selbst her, speichert ihn in seinen Dopaminzellen und gibt ihn langsam kontinuierlich frei. So werden flüssige Körperbewegungen möglich. Bei Parkinson verlieren die Dopamin produzierenden Zellen mit der Zeit ihre Funktion. Ist der Dopaminmangel zu groß, zeigt sich das zum Beispiel über erste motorische Beschwerden in Form von Langsamkeit oder Steifigkeit. Allerdings können die verbliebenen Dopaminzellen oral zugeführtes Dopamin aufnehmen, speichern und wieder abgeben – man nennt das „Pufferkapazität“. Eine Dopamin-Ersatztherapie mit Tabletten kann den Mangel daher zunächst ausgleichen. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass nach circa fünf bis sieben Jahren Krankheitsdauer die Pufferkapazität abnimmt. Das oral zugeführte Dopamin flutet mit jeder Tablette an und wird relativ schnell wieder abgebaut. Das führt zu Wirkschwankungen. In Phasen mit zu viel Dopamin sind unter anderem Symptome wie unwillkürliche Überbewegungen möglich. Liegt zu wenig Dopamin vor, können zum Beispiel OFF-Phasen mit Muskelsteifheit und Unbeweglichkeit auftreten. Auch langfristig können sich Nebenwirkungen der immer intensiveren Medikation mit Dopamin und Dopaminagonisten einstellen, beispielsweise mit neuropsychiatrischen Komplikationen wie Impulskontrollstörungen.
PARKOUR: Was bedeutet das für die Therapie mit Tabletten?
Prof. Weiß: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die orale Therapie mit bestimmten Wirkstoffen zu steigern. Dabei vertritt man heute den Ansatz, je nach Stärke der motorischen Symptome frühzeitig L-Dopa auch bei jüngeren Patienten zu geben, sofern dies für eine ausreichende Symptomkontrolle erforderlich ist. Können die Zellen das zugeführte Dopamin nicht mehr speichern, wirkt es bereits nach etwa 30 Minuten, aber nicht sehr lange. Verlängern kann man seine Wirkung, indem man die Einnahme auf mehrere Einnahmezeiten am Tag verteilt. Die Patienten müssen sich dann häufiger am Tag mit der Tabletteneinnahme befassen. Das ist durchaus nicht leicht. Ein weiterer Weg ist es, Beistoffe zu geben, die den Abbau von L-Dopa verzögern. Im Tagesverlauf lassen sich so im Durchschnitt bis zu 60 Minuten zusätzlicher guter Beweglichkeit erzielen.
PARKOUR: Lässt sich diese Intensivierung immer weiter fortführen?
Prof. Weiß: Es gibt einen Punkt im Krankheitsverlauf, an dem die orale Therapie bereits intensiviert wurde und die Einnahmeschemata schon sehr kompliziert sind, aber trotz bestmöglicher Einstellung OFF-Phasen auftreten. Oder es kommt durch die intensive Therapie zu Problemen wie Überbewegungen, Stimmungsschwankungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Das sind typische Anzeichen, dass die orale Therapie an Grenzen stößt, und es Zeit zu überlegen ist, ob eine nicht orale Folgetherapie mit einer Medikamentenpumpe oder einer Tiefen Hirnstimulation angezeigt sein könnte.
Heute schon an morgen denken!
Wichtige Entscheidungen trifft man am besten gut vorbereitet. Informieren Sie sich darum frühzeitig über Therapieoptionen bei Parkinson.
PARKOUR: Inwiefern ist es wichtig, früh genug zu handeln?
Prof. Weiß: Mit stärkeren Wirkfluktuationen auftretende Symptome beeinträchtigen das Wohlbefinden, die Lebensqualität und die soziale Einbettung der Patienten. Sie fühlen sich schlecht mit ihrer Erkrankung und können ihren Tagesablauf nicht zuverlässig planen, weil nicht sicher ist, wann die Medikamente ausreichend wirken und sie einkaufen gehen, Freunde treffen oder leistungsfähig arbeiten können. Das Ziel ist daher, ihnen zu jeder Zeit ein möglichst hohes Maß an Symptomkontrolle zu ermöglichen und bei entsprechenden Anzeichen früh genug zu reagieren. Und idealerweise wird eine wirkungsvolle Therapie bereits eingeleitet, bevor beispielsweise eine Störung der sozialen Funktionen eintritt. Denn was einmal verloren ging, ist schwierig zurückzugewinnen. Der Erhalt der körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen spielt in der Therapiesteuerung eine große Rolle und nicht orale Folgetherapien gelten gerade in dieser Hinsicht als effektiv und nicht mehr als „letzter Ausweg“, wenn die Krankheit schon sehr vorangeschritten ist. Vielmehr haben wir gelernt, dass wir sie besser früh genug nutzen, um Wirkschwankungen zu begegnen. Das Ziel ist, gute Lebensjahre in einem mittleren Krankheitsstadium möglichst positiv zu gestalten.
PARKOUR: Was können Betroffene und Angehörige berücksichtigen?
Prof. Weiß: Sie sollten in Bezug auf ihre Erkrankung und ihre Symptome aufmerksam bleiben und immer wieder einmal in sich hineinhorchen, um Veränderungen rechtzeitig wahrzunehmen. Sie sollten sich frühzeitig informieren, welche Probleme im Zusammenhang mit Parkinson und der Therapie auftreten können, Angebote der Selbsthilfe nutzen und sich vernetzen. Zudem hilft die rechtzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Therapiestrategien, Entscheidungen zu treffen. Schließlich sollten sie früh genug den Rat eines Arztes einholen, der sich auf Parkinson-Therapien spezialisiert hat und den Einsatz nicht oraler Folgetherapien abwägen kann. [ ps ]