Perspektiven nicht oraler Folgetherapien
Wenn im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung Tabletten die Symptome nicht mehr ausreichend kontrollieren, gibt es weitere Optionen. Ein Gespräch mit dem Neurologen PD Dr. Florin Gandor über aktuelle nicht orale Folgetherapien und neue Entwicklungen.
Autor: Petra Sperling | 12/2023
PARKOUR: Inwiefern ist die Wirksamkeit der oralen Therapie begrenzt?
PD Dr. Florin Gandor: Einige Jahre lässt sich der bei der Parkinson-Krankheit im Gehirn nicht ausreichend vorhandene Botenstoff Dopamin sehr gut mit oralen Medikamenten ersetzen. Hier stehen unterschiedliche Wirkstoffe zur Verfügung. Diese unterstützen entweder die Wirkung des Dopamins im Gehirn oder werden im Gehirn zu Dopamin umgebaut. Mit fortschreitender Erkrankung können jedoch immer weniger Nervenzellen Dopamin aufnehmen, speichern und bei Bedarf abgeben. Die Tabletten wirken dadurch immer kürzer und ungleichmäßiger.
Ziel nicht oraler Folgetherapien ist, die Beweglichkeit und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Was bedeutet das für die Behandlung?
Es gibt weitere Medikamente, mit denen die Vorstufe des Dopamins länger verfügbar gemacht wird. Irgendwann lassen sich die Parkinson-Symptome aber auch mit einer oralen Kombinationstherapie aus mehreren unterschiedlichen Medikamenten nicht mehr zufriedenstellend behandeln. Ein internationales Expertengremium hat die „5-2-1“-Kriterien aufgestellt: Wenn Betroffene fünfmal am Tag Parkinson-Medikamente einnehmen aber trotz Kombinationstherapie täglich insgesamt zwei Stunden schlecht beweglich und eine Stunde überbeweglich sind, ist die Parkinson-Krankheit fortgeschritten und die orale Therapie stößt an ihre Grenzen. Es ist dann an der Zeit, Betroffene zu informieren, dass nicht orale Folgetherapien weitere Behandlungsoptionen bieten.
Welche Folgetherapien gibt es?
Bei der tiefen Hirnstimulation wird ein bestimmtes Areal im Gehirn mit Elektroden versorgt. Diese Elektroden werden in einer Operation ins Gehirn eingesetzt. Hierdurch reguliert man überaktive Hirnregionen und stabilisiert die Beweglichkeit. Eine andere Möglichkeit ist, Parkinson-Medikamente mithilfe einer Pumpe in den Körper zu bringen. Dabei gibt es den Weg, einen Parkinson-Wirkstoff über eine Sonde als Gel kontinuierlich direkt in den Verdauungstrakt zu bringen. Damit zielt man auf stabile Wirkstoffspiegel im Blut und eine gleichmäßige Medikamentenwirkung. Eine andere Methode ist, ein Parkinson-Medikament kontinuierlich unter die Haut zu verabreichen, um eine gleichmäßige Wirkung zu erreichen. Dazu stehen zwei Wirkstoffe zur Verfügung. Eine Operation ist hierbei nicht nötig.
Wie werden diese Therapien genutzt?
Im internationalen Vergleich wird die Option einer nicht oralen Folgetherapie in Deutschland erst später genutzt. Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten bereits die Kriterien für eine fortgeschrittene Parkinson-Krankheit erfüllen, ohne eine solche Folgetherapie zu erhalten. Auch Betroffene selbst sind oft unschlüssig, ob sie diesen Schritt schon gehen wollen oder ihn mithilfe einer Anpassung ihrer Therapie mit Tabletten hinauszögern. Dabei haben nicht wenige Angst vor einem operativen Eingriff.
Welche Vorteile bieten diese Therapien den Betroffenen?
An oberster Stelle steht die Lebensqualität. Sie wird maßgeblich von einer durchgehend guten Beweglichkeit beeinflusst. Typische Einschränkungen für Parkinson-Betroffene sind, dass sie Aktivitäten in Zeiten legen müssen, zu denen sie gut beweglich sind. Oder sie müssen auf etwas verzichten, weil sie gerade nicht gut beweglich sind. Mit nicht oralen Folgetherapien möchte man erreichen, dass sie im Idealfall durchgehend gut beweglich und unabhängiger sind.
Sie waren an einer Studie zu einer neuen nicht oralen Folgetherapie beteiligt. Was hat es damit auf sich?
In der Studie hat man die kontinuierliche Gabe eines Wirkstoffes unter die Haut untersucht. Man spricht auch von „subkutaner Gabe“. Die Ausgangslage ist komfortabel: Wir kennen das Wirkprofil des Wirkstoffs äußerst gut, da er seit 50 Jahren in der Parkinson-Therapie eingesetzt wird. Die Langzeitdaten zeigen: Er ist sehr effektiv und wird in der Regel sehr gut vertragen. Von Vorteil ist zudem, dass der Magen-Darm-Trakt umgangen wird, wenn der Wirkstoff subkutan verabreicht wird. Denn wir wissen: Mahlzeiten können die Aufnahme von Tabletten aus dem Darm verringern. Die Tabletten entfalten dann nicht mehr ihre volle Wirkung im Gehirn.
Was hat die Studie ergeben?
Die Studienergebnisse zeigen: Die kontinuierliche Gabe des Wirkstoffs unter die Haut kann die Zeit guter Beweglichkeit verlängern und die Zeit schlechter Beweglichkeit deutlich reduzieren. Auch die Beweglichkeit direkt am Morgen wird günstig beeinflusst, da das Medikament dauerhaft auch über Nacht gegeben wird. [ ps ]
Was raten Sie Patientinnen und Patienten, die eine Folgetherapie erwägen?
„Mit der neuen Therapie können wir einen sehr gut bekannten und verträglichen Wirkstoff ohne operativen Eingriff in den Körper bringen. Dies wird sicherlich die Hemmschwelle verringern, diese Therapie einmal auszuprobieren. Aber natürlich sind Therapieentscheidungen immer individuell und es gilt, alle Vor- und Nachteile abzuwägen. Betroffene sollten sich daher immer über alle Optionen informieren. Letzten Endes entscheiden die Betroffenen selbst, ob sie auf eine nicht orale Folgetherapie wechseln wollen. Gut informiert zu sein ist dabei eine wesentliche Grundlage.“