Stürzen aktiv entgegenwirken
Viele Stürze lassen sich vermeiden oder abmildern, sagt Prof. Dr. Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Was Betroffene dazu beitragen können.
Autor: Petra Sperling | 08/2021
Viele Stürze lassen sich vermeiden oder abmildern, sagt Prof. Dr. Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Was Betroffene dazu beitragen können.
„Stürze können bereits bei leicht ausgeprägtem Parkinson auftreten. Am häufigsten sind sie in der mittleren Phase, später nehmen sie wieder ab“, beobachtet der Neurologe. Das sei allerdings darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen dann weniger mobil sind. „Im Verhältnis zu den Metern, die jemand geht, sehen wir: Sturzereignisse nehmen im Verlauf der Erkrankung weiterhin zu.“
Bleiben Sie in Bewegung!
Wer fällt, kann eine Sturzangst entwickeln, die ein Risikofaktor für weitere Stürze ist, erklärt Prof. Maetzler. „Bewege ich mich dann ‚zur Sicherheit‘ nur noch wenig, werde ich immer untrainierter und meine Unsicherheit wächst. Menschen mit Parkinson sollten daher so gut es geht bewegt leben.“
Die Hauptursache ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. „Bei Parkinson sind Motorik, Mobilität, Denkleistung und Reaktionsvermögen in Mitleidenschaft gezogen. Diese Kombination erhöht das Sturzrisiko“, beschreibt Prof. Maetzler. Im motorischen Bereich können insbesondere ein Freezing, das „Festfrieren“ der Füße am Boden, unkontrollierte Überbewegungen und Muskelsteifheit Probleme bereiten. Im Bereich der Denk- und Reaktionsfähigkeit kommt es zum Beispiel zu Einbußen, wenn Parkinson die „Multitasking-Fähigkeit“ verringert. „Das Gehirn kann verschiedene Dinge nicht mehr so gut gleichzeitig berücksichtigen und sendet falsche Informationen darüber, was jetzt gerade wichtig ist“, erklärt der Facharzt. „Wird jemand zum Beispiel im Gehen angesprochen, richtet er seine Aufmerksamkeit stärker darauf als auf seine Schritte und gerät womöglich ins Straucheln.“ Auch eine Parkinson-bedingte verlangsamte Augenbewegung gehört zu den Risikofaktoren. „Das Auge leitet Informationen aus der Umgebung, etwa über eine Bodenunebenheit, verzögert weiter. Damit fehlt die Zeit für eine passende Reaktion.“ Eine andere Ursache für insbesondere bei vorangeschrittenem Parkinson auftretende Stürze kann eine plötzliche Blutdrucksenkung und die damit einhergehende Unterversorgung des Gehirns sein.
Die Ursachensuche ist der erste Schritt, etwas gegen die Sturzgefahr zu unternehmen. „Idealerweise beleuchten Betroffene dafür selbstkritisch, wie es zu einem Sturz kam“, erläutert Prof. Maetzler. „Äußerst hilfreich ist es, die Zeit vor dem Fall wie einen Film zurückzuspulen und zu überlegen: Was war eine halbe Stunde, wenige Minuten, wenige Sekunden zuvor? Woran habe ich gedacht? Wie habe ich mich gefühlt? Wie war die äußere Situation? Bin ich gestolpert, war ich abgelenkt?“ Diese detaillierte Aufarbeitung liefert Neurologen, Physiotherapeuten und Betroffenen selbst wichtige Anhaltspunkte, wie sich Gefahrensituationen in Zukunft verhindern lassen könnten.
Betroffene tun sich jedoch oft schwer, ihrem Neurologen von Stürzen zu erzählen. Viele befürchten, dass ihnen die Selbstständigkeit abgesprochen werden könnte. „Der Arzt kann die Probleme aber nur angehen, wenn er davon weiß“, betont der Neurologe. „Und wir können mittlerweile über die allgemeinen Empfehlungen hinaus viel tun. Wir können die täglichen Medikamente überprüfen und gegebenenfalls ändern. In hocheffektiven Sturztrainings lernen Betroffene, die Folgen eines Falls abzufedern. Für Alleinlebende gibt es Hilfen wie den Notfallknopf, über den sie im Ernstfall jemanden herbeirufen können. Parkinson-Patienten sollten daher gut darauf achten, ob, wo und wann im Alltag sie Mobilitätsprobleme haben, und mit ihrem Arzt offen darüber sprechen. Sie können damit viel dazu beitragen, ihre Lebensqualität zu verbessern.“ [ ps ]
Sie fragen sich, ob Ihre Sturzneigung mit Ihrer aktuellen Therapie zusammenhängen könnte? Auf www.parkinson-check.de können Sie in einem Selbsttest erste Hinweise auf die Wirksamkeit Ihrer Therapie gewinnen und mit Ihrem Neurologen darüber sprechen.
Mein Sturzprotokoll
Wie kam es zu einem Sturz oder einem Beinahe-Sturz? Anhand der folgenden Fragen können Sie das analysieren. Ihre Notizen liefern Ihnen und Ihrem Neurologen wichtige Informationen, wann und wie oft es zu Gefahrensituationen kommt und was helfen kann, Sturzereignisse zu verhindern.