Ausgabe 9

Die Wut muss raus

Manchmal genügt schon ein falsches Wort oder ein verächtlicher Blick: Dann ergreift uns die Wut – wir zittern, spüren Hitze aufsteigen und einen Kloß im Hals. Negative Emotionen wie Ärger und Zorn gehören zur menschlichen Existenz wie Liebe und Freude. Laut dem amerikanischen Psychologen Paul Ekman zählt Wut sogar zu den sieben Basisgefühlen. Und das hat offenbar gute Gründe.

Zorn ist ein Signal

Forscher*innen gehen davon aus, dass Groll wie eine Warnung für andere und einen selber funktioniert. Ein tobender Verkehrsrowdy kann sein Gegenüber derart einschüchtern, dass die Situation gar nicht erst eskaliert. Auch wenn es schwerfällt, der Rückzug entschärft den Konflikt. Wer sich immer wieder über sich selbst ärgert und dabei wie ein Vulkan zu brodeln beginnt, erhält das alarmierende Signal, dass etwas falschläuft, und muss sich fragen: Was macht mich wütend? Und wie kann ich reagieren? Wut vermittelt also nicht nur klare Grenzen und verhindert direkte Auseinandersetzungen, sondern zeigt auch eigene Schwächen und fordert dazu auf sich zu verändern.

Wut kann helfen

Führt Wut zu aggressivem Verhalten mit heftigen Drohungen oder sogar Gewalt, nehmen wir sie als beunruhigendes und gefährliches Gefühl war. Zu Recht. Doch Wut ist keine unbedingt schlechte Emotion. „Wut kann positive Aspekte haben und zum Beispiel Personen dabei unterstützen, ihre Ziele zu verfolgen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Selbstwert zu schützen“, erläutert die Berliner Psychologin Carina Remmers (Business Insider). Wer beim Dermatologen keine angemessene Behandlung bekommt und hitzig aus der Haut fährt, verlangt kraftvoll „Stopp, so nicht“ und stärkt somit seine Rolle als Patient, der Hilfe und Rat verdient. Ob dem Arzt das gefällt, ist fraglich, vermutlich nicht. Dennoch ist das Verhalten geeignet, eine Grenze aufzuzeigen oder die Enttäuschung über den Verlauf der Beratung zu zeigen.

Groll formt Kraft

Natürlich steht uns Ärger selten gut zu Gesicht. Der hochrote Kopf und Augen zu Schlitzen verengt machen hässlich und schrecken ab. Aber in der typisch zornigen Haltung steckt unheimlich viel Kraft. Denn der Körper reagiert heftig auf Wut. Stresshormone wie Adrenalin und Testosteron durchfließen den Organismus und lassen Atem- und Pulsfrequenz rasch steigen. Der Blutdruck schnellt hoch, die Muskeln spannen sich, wir sind hellwach und voller Energie, bereit zu handeln. Diesem „Feuer“ bewusst Raum geben, statt es zu unterdrücken, dürfte der sinnvolle Weg für eine Seele im Gleichgewicht sein.

Wut braucht Kanäle

Eine entscheidende Frage ist daher: Wohin mit der Wut? Da jeder ein anderes Stresslevel hat und Verdruss sich individuell aufbaut, gibt es kein Patentrezept für den Umgang mit Wut. Regelmäßiger Sport, um Stresshormone abzubauen und den Kopf freizubekommen, aber auch spezielle Methoden, die die Selbstwahrnehmung schärfen – wie ein Tagebuch führen über Ursachen und Auslöser – können helfen. Wird Wut auf diese Art bewusst kanalisiert, kann das Gefühl zu einem wertvollen Partner im Alltag werden: weil man nichts mehr verstellt, sondern sich von innerer Spannung befreit.

So kanalisiert man Wut

MEHR SPORT
Laufen, Boxen oder Tanzen baut aggressive Impulse ab und einen Stresspuffer auf. Durch intensive Bewegung lösen sich auch seelische Spannungen, denn der Anstieg des Serotonin-Spiegels sorgt für Glücksgefühle.

WENIGER STRESS
Wer permanent überlastet ist, besitzt ein hohes Aggressionspotenzial. Weniger Stress bedeutet zwar nicht automatisch weniger Zorn. Es ist aber wichtig zu wissen, dass hier ein echter Wut-Trigger schlummert.

KLARE TAKTIK
Bahnt sich Ärger an, muss man das nicht zulassen. Der Volksmund rät, dass der Klügere nachgibt. Meist genügt es, den Raum zu verlassen und sich zurückzuziehen. Das ist gar nicht so einfach, aber eine umso überraschendere Taktik.

LOCKER SCHREIBEN
Was löst den Zorn aus und wie entwickelt er sich? Wer ein Tagebuch führt, lernt die eigenen Aggressionen kennen und kann dann gezielter damit umgehen.

EINFACH BOXEN
Auf einen Boxsack eindreschen lässt Wut schnell verrauchen. Notfalls tut es auch ein Kissen, auf das eingeschlagen wird. Ganz schnell ist die „Luft raus“.

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