Ausgabe 7

Ich will ein normales Leben führen


Über den Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs fegt der Wind. Marie-Luise Besenlehner streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Sie blinzelt hoch zum Dom, der sich wie ein Berg in den Himmel schiebt, und schaut auf das Menschengetümmel. Die Wahlwienerin ist fürs Wochenende herübergeflogen. Auf Tour gehen, Neues erkunden, das liebt die 39-Jährige, auch wenn das Reisen ihr eigentlich schwerfallen müsste. Denn Marie-Luise hat seit 20 Jahren Psoriasis-Arthritis. Neben entzündeter Haut leidet sie an steifen, schmerzenden Gelenken und der für die Krankheit oft typischen Erschöpfung.

Marie-Luise schaut in die Ferne

Fleißig entdecken

Fast eine Stunde steckte ihre S-Bahn vom Airport in die Innenstadt fest. Die Verspätung und der Stress könnten nerven, tun sie aber nicht. „Wer unterwegs ist, muss mit so was leben“, meint Marie-Luise lakonisch und läuft die Domtreppe hoch, auf der ein Gitarrenspieler den legendären Eagles-Hit „Hotel California“ singt. Die Stadt am Rhein besuchen, die als Musikmetropole mit Weltformat gilt, das wollte sie schon immer einmal. London, Berlin, Zürich oder Hamburg kennt sie in Europa schon. Auch Jordanien, Ägypten oder Island hat sie gesehen. Und nach Italien geht’s regelmäßig. Eine echte Weltenbummlerin eben.

Ob es sich lohnt, das gotische Gotteshaus von innen zu sehen?, fragt Marie-Luise. Der Rundblick von der Aussichtsplattform des Doms, zu der 533 Stufen führen, soll prächtig sein. Soll sie da wirklich hochkraxeln? Oder weiter herumstreunen, lecker essen, Kultur genießen? Pläne hat die Angestellte eines Bezirksamts in Niederösterreich für den Städtetrip keine gemacht. Marie-Luise lässt sich gerne treiben. Biegt spontan ab, wenn ihr etwas gefällt. Genießt, worauf sie Lust hat – ein Halve Hahn im Brauhaus Gaffel, das muss einfach sein. Etwas verblüfft mustert sie die rheinische Spezialität dann doch. Denn mit einem krossen Wiener Backhendl hat der Käsehappen mit Zwiebeln und Roggenbrötchen recht wenig zu tun. An einem blank gescheuerten Holztisch reden wir über die Krankheit, wie es früher war und heute ist. Sie erzählt von Schmerzen, Ängsten, von Therapien und ihrem Leitspruch, nie aufzugeben.

Marie-Luise in einem Lokal
„Ich bin einen langen Weg gegangen, aber heute bin ich voller Hoffnung.“

Entschlossen kämpfen

Mit Anfang 20 bekommt Marie-Luise Schuppenflechte, etwas später wird auch Psoriasis-Arthritis diagnostiziert. Ein Schock für die junge Frau, die eigentlich Musical-Darstellerin werden wollte. Vor allem am Kopf, an den Armen und dem Oberkörper blühen Plaques. Die Gelenke an Fingern, Zehen, Knien und den Hüften entzünden sich. Brot schneiden geht plötzlich nicht mehr. Eine Tasse halten, fast unmöglich. Die Treppen zur Wohnung in der 1. Etage gehen, das kommt ihr vor wie ein Marathonlauf. Morgens in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit muss sie sich setzen, weil der Körper unbeweglich ist wie ein Brett und die Beine schmerzen. Man habe ihr die Qualen angesehen, erinnert sich Marie-Luise, die auch ihr Hobby aufgeben muss: das Basteln von witzigen Geburtstagskarten und filigranen Geschenkboxen, die beim Öffnen auseinanderfallen. Die Feinmotorik in den Fingern war weg.

„Ich war hilflos“, erinnert sich Marie-Luise, die zuerst mit Kortison, dann mit UV-Licht behandelt wird. Die Probleme bleiben. Doch damit will sie sich nicht abfinden. Mit 23 Jahren bekommt sie ihr erstes Biologikum. „Mittlerweile bin ich gut eingestellt und kann fast alles machen“, sagt Marie-Luise und nimmt ein kleines Buch aus dem Rucksack, in das sie Erlebnisse schreibt. Ja, sie kann wieder Stifte fassen, weil sie es will und dafür kämpft, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen. Wir reißen Witze bei den Selfies vor dem Museum Ludwig mit seiner grandiosen Pop-Art-Sammlung, drängeln uns zwischen chinesische Touristinnen auf der Deutzer Brücke, an der über 500.000 Liebesschlösser hängen, und schlendern plaudernd runter zum Rhein, auf dem Ausflugsdampfer kölsches Liedgut spielen.

Marie-Luise betrachtet Schlösser an einer Brücke
Bei Liebesschlössern denkt Marie-Luise an die Eltern. Familie ist ihr sicherer Hafen.

Richtig reagieren

„Anfangs wollte ich die Krankheit nicht akzeptieren“, sagt Marie-Luise und dreht eine Wasserflasche auf. Es ist warm an diesem Freitagnachmittag. „Doch die Biologika-Therapie verbessert die Lebenssituation erheblich. Aber man muss auch verstehen, wie der Körper reagiert.“ So plant sie heute oft im Voraus. Kleidungsstücke werden abends schon arrangiert. Morgens erhält der Körper Zeit, beweglich zu werden. Zu Hause stehen Greifzange und Flaschenöffner bereit, wenn die Hände mal nicht wollen. Vor allem aber verbannt Marie-Luise Selbstzweifel und den Irrglauben, dass sich jemand mit Psoriasis-Arthritis ständig schonen müsse.

Jede Woche steht bei ihr Zumba auf dem Programm, weil die Kombi aus Aerobic und Tanz Kondition bringt. Regelmäßig arbeitet Marie-Luise auch als Curvy Model für Label und Agenturen, denn sie ist stolz auf ihre Kurven und strahlt das auch aus. Als ihr Bruder sie vor Kurzem mit einem Paragliding-Flug überrascht, will sie kneifen, hebt dann aber ab in die Luft und genießt es so sehr, dass sie schon ans nächste Gleitschirm-Abenteuer denkt. „Wer krank ist, bleibt oft in seiner Komfortzone. Ich will raus da und meine Grenzen testen“, sagt Marie-Luise.

Wir wandern die Uferpromenade entlang, die sich in Köln kilometerweit zieht, während Marie-Luise von den Eltern und den beiden Brüdern erzählt. Die Familie sei ihr sicherer Hafen, da kann sie alles loswerden, sich ausweinen, bekommt uneingeschränkte Zuneigung. Als die Mutter und kurze Zeit später der Vater sterben, fühlt sich Marie-Luise verlassen und verwirrt. Die Psoriasis-Arthritis verschlimmert sich extrem. Die Dosierung der Medikamente muss erhöht werden und es dauert, bis sie wieder richtig lachen kann. In der Erinnerung bleibe sie mit den Eltern so fest verbunden wie die Liebesschlösser mit der Brücke von eben, sagt sie.

Marie-Luise öffnet eine Flasche
Früher war Flaschen öffnen ein Problem für Marie-Luise – heute nicht mehr.

Marie-Luise trinkt aus der Wasserflasche

Locker bleiben

Ein poetischer Vergleich, der verdeutlicht, was Marie-Luise ausmacht – Kraft und Leidenschaft. An guter Laune festhalten, auch wenn der Alltag nicht immer einfach ist. Bei Schmerzen nicht resignieren, sondern weitermachen: Marie-Luise bekämpft die Psoriasis-Arthritis auch mit Demut. Zwar würden die Ringfinger immer ein bisschen geschwollen bleiben und sie seien die ersten, die sich melden würden, wenn das Medikament wieder nötig sei, erklärt sie. „Aber ich fühle mich insgesamt gut. Das macht mich selbstbewusst.“

Neben ihrer Fitness ist dieses Gefühl so ausgeprägt, dass Flüge in engen Sitzen, heißes Klima, lange Fahrten in Bussen oder längere Wanderungen keine größeren Probleme bereiten. „Ich möchte mein Leben genießen und versuche, alles dafür zu tun“, sagt Marie-Luise, die in der Stadt einen schicken, aber lässigen Style vorzieht mit Jeans, schwarzen oder knallbunten Tops, trendigen Accessoires wie langen Ketten und bequemen Sneakern. Ein cooler Fit eben für jemanden, der sich in seiner Haut wohlfühlt.

Marie-Luise schreibt
„Ich will raus aus meiner Komfortzone und Grenzen testen.“

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