PSOUL: Frau Dr. Hadshiew, charakteristisch für Schuppenflechte sind Rötungen, Hautschuppen und Juckreiz. Darüber hinaus kann die Erkrankung auch zur seelischen Belastung werden. Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wann ist es für Patient*innen besonders belastend?
DR. MED. INA HADSHIEW: Meiner Erfahrung nach leiden Patient*innen besonders, wenn Areale betroffen sind, die jede*r sieht; wenn zum Beispiel die Kopfhaut betroffen ist oder die Hände. Dann gibt es noch die Psoriasis im Genitalbereich, die wahrscheinlich sogar unterdiagnostiziert ist. Gerade, wenn junge Leute davon betroffen sind, ziehen sie sich zurück, haben keinen Partner, keine Partnerin, weil sie sich gar nicht erst einer Situation aussetzen wollen, in der sie viel erklären müssen. Bei der Psoriasis im Genitalbereich juckt und brennt die entzündete Haut – an Geschlechtsverkehr ist dann gar nicht erst zu denken. Kurzum: Sind sichtbare oder intime Bereiche betroffen, sind alle Aspekte des täglichen Lebens beeinträchtigt und die Lebensqualität leidet. Dabei ist gerade die Lebensqualität doch das Wichtigste im Leben.
PSOUL: Wie bringen Sie Patient*innen dazu, offen über dieses Thema zu sprechen?
HADSHIEW: Kommunikation ist die Grundlage für alles, was wir machen. Meine Aufgabe als Ärztin ist es, ein Vertrauensverhältnis zu meinen Patient*innen aufzubauen. Das geht nicht mit „Guten Tag, dann ziehen Sie sich mal aus“, sondern man muss sich kennenlernen. Ich behandle meine Patient*innen so, wie ich gerne behandelt werden würde. Wenn man sagt „Ich versuche, Ihnen zu helfen“, dann gibt das Hoffnung und schenkt Vertrauen. Im besten Fall öffnen sich die Patient*innen so und trauen sich, schambehaftete Themen oder Dinge, die ihnen unangenehm sind, anzusprechen. Diese Offenheit ist für mich essenziell, um am Ende die richtige Therapie zu finden.
PSOUL: Sehen Sie hier Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
HADSHIEW: Prinzipiell würde ich sagen, dass es Frauen tendenziell leichter fällt, über viele Dinge zu reden. Vielleicht liegt es an den kommunikativen Fähigkeiten von vielen Frauen? Oder es könnte daran liegen, dass sich manche Männer vielleicht vor mir als Ärztin, als Frau, schämen, manche Dinge anzusprechen? Ich glaube aber, wenn man sowohl Männern als auch Frauen die Möglichkeit gibt, zu reden, dann öffnen sie sich irgendwann.
PSOUL: Zurück zur Psoriasis im Genitalbereich und am Po: Was kann hier helfen?
HADSHIEW: Ganz viel. Heutzutage haben wir topische Therapien, die keine reinen Kortison-Cremes mehr sind. Bei regelmäßiger Anwendung können kleine Stellen zur Abheilung gebracht werden. Zudem gibt es moderne Therapien, die im Inneren des Körpers wirken und gezielt die Entzündung unterbrechen. Sie werden bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis angewendet und setzen noch einmal neue Therapiestandards, weil hierbei auch bei schweren Psoriasis-Formen eine erscheinungsfreie Haut möglich wird.
PSOUL: Haben Sie ein Beispiel aus Ihrer Praxis?
HADSHIEW: Ich habe jeden Tag tolle Beispiele! Da ist z. B. ein junger Mann, der Psoriasis am gesamten Körper hatte, auch im Genitalbereich. Zudem war er übergewichtig. Seit er mit einer Systemtherapie behandelt wird, hat sich sein Leben total verändert: Seine Schuppenflechte ist komplett abgeheilt, er treibt Sport, hat abgenommen, lebt in einer Beziehung und ist ein richtiger Sonnenschein. Ich bin jedes Mal gerührt, wenn ich sehe, dass es ihm mittlerweile so gut geht.
PSOUL: Wie wichtig ist der frühe Behandlungsstart – gerade bei mittelschwerer oder schwerer Psoriasis?
HADSHIEW: Dies ist sehr wichtig. Denn durch den frühen Einsatz von Systemtherapien kann man die Erkrankung, sogar den Verlauf des Lebens, positiv beeinflussen. Das Risiko möglicher Folge- und Begleiterkrankungen kann so von vorneherein minimiert werden. Grundsätzlich ist es so: Je früher Patient*innen mit einer Systemtherapie behandelt werden, desto eher erhalten sie ihre Lebensqualität zurück.
PSOUL: Wissen die Betroffenen von systemischen Therapieoptionen?
HADSHIEW: Ich schätze, in etwa die Hälfte der Patient*innen ist gut darüber aufgeklärt. Diese Patient*innen fragen auch konkret nach, ob ich zielgerichtete Therapien verschreibe. Bei der anderen Hälfte ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Wenn ich ihnen sage, dass es noch andere Möglichkeiten außer ihrer Creme gibt, haben viele Angst vor schweren Nebenwirkungen. In diesen Fällen erkläre ich dann, dass es mittlerweile moderne, gezielt wirksame und verträgliche Therapien gibt. Meist kann ich die Ängste dann schnell abbauen.
PSOUL: Gibt es zum Schluss noch etwas, das Sie betroffenen Patient*innen mit auf den Weg geben möchten?
HADSHIEW: Mein Lieblingsspruch ist immer „Just do it“. Patient*innen sollten sich einen Hautarzt bzw. eine Hautärztin suchen, der oder die gewillt ist, zusammen nach der bestmöglichen Therapie zu suchen. Gleichzeitig ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses enorm wichtig. Dies gilt ganz besonders, wenn sensible Areale betroffen sind und die Patient*innen besonders leiden. Denn: Nur, wenn auch wirklich alle Bedenken und Beschwerden angesprochen werden, kann eine gemeinsame Therapieentscheidung getroffen werden. Und mit den modernen Systemtherapien haben wir heute die Möglichkeit, den meisten Patient*innen wirklich zu helfen – und das sind wir als Ärzt*innen unseren Patient*innen schuldig.
DE-IMMD-240072