Seine Hand liegt kurz auf ihrem linken Arm. Sie schaut hoch, lächelt, lehnt sich zurück. „Es hat gedauert, bis ich ihn gefunden habe“, sagt Valentina Öztürk. Sie habe zwei, drei Dermatologen probiert, die passten aber nicht richtig. Bei Spezialisten im Krankenhaus sei sie auch gewesen. Bei keinem habe sie sich gut aufgehoben gefühlt. Ein Bekannter habe dann Dr. Jörg Fränken empfohlen. 18 Jahre ist das her. 18 Jahre, in denen Valentina und ihr Arzt gegen die sehr schwere Psoriasis gekämpft haben: mit Licht, Salben, Tabletten, Spritzen. Erst seit kurzem ist die heute 37-Jährige aus Ennepetal, einer Kleinstadt im Süden des Ruhrgebiets, wieder nahezu erscheinungsfrei. Begleitet wird Valentina so oft es geht von Tochter Samantha und Ehemann Ahmet. Patientin und Arzt sitzen in einem kleinen, hellgelben Praxisraum nebeneinander. Gelöst, entspannt.
Sie erkennen
Doch das Leid ist längst nicht vergessen. „Der ganze Körper war betroffen. Immer wieder haben sich Eiterpusteln gebildet. Die Schübe waren zum Teil äußerst stark“, berichtet Fränken. Fast atemlos skizziert Valentina ein Leben voller Schmerz und Scham: ständiges Jucken und Bluten, keinem die Haut zeigen, überall Schuppen in der Wohnung, erst abends vor die Tür gehen – weil sie keiner sehen sollte, weil der Körper Sonne überhaupt nicht verträgt. Wie mit den Panikattacken beim Einkaufen umgehen? Wie den eigenen Eltern die Depressionen erklären? Lebhaft wirft Valentina ihre dunkelblonden, zu einem Zopf gebundenen Haare zur Seite. Die knalligen Fingernägel im Neon-Sommerdesign sehen nach guter Laune aus. Das ist heute.
„Früher hat meine Mutter oft geweint, wenn sie meine Krankheit gesehen hat, und sich entschuldigt, dass sie mir das anscheinend vererbt hat“, sagt Valentina und blickt dabei zu ihrer eigenen Tochter Samantha. Letzten Sommer war sie mit der 9-Jährigen stundenlang im Freibad – zum ersten Mal seit Jahren. Die Sommerhitze war kein Problem. Keiner hat mit dem Finger gezeigt, weil auf der Haut nichts zu sehen war. Samantha grinst ihren Vater Ahmet an. Ahmet Öztürk zieht die Augenbrauen hoch, berührt sie behutsam mit dem Arm. Zukunft bedeutet frei sein, scheint die Geste zu sagen. Samantha, die gerne Ärztin werden möchte, nickt vorsichtig.
Sie reden
„Über die Psoriasis rede ich mit meinem Arzt und meiner Familie. Mit anderen will ich nicht sprechen“, erzählt Valentina. Zu lange verfolgt sie die Krankheit schon. Zu viel Angst hat sie vor „blöden Blicken“ und „dummen Kommentaren“. Zu viele Enttäuschungen hat sie erlebt. Medikamente zum Auftragen halfen nicht. UV-Licht wirkte nicht dauerhaft. Tabletten vertrug sie nicht. Nach ersten Erfolgen mit einem der neuen, biotechnologisch hergestellten Wirkstoffe folgte ein böser Dämpfer: Die Psoriasis kam zurück.
Wie häufig sie bei Fränken in der Praxis war, weiß Valentina nicht mehr. Auch ihr Mann zuckt mit den Schultern. „Sicher sechs, acht, vielleicht sogar zehn Mal im Jahr“, schätzt Ahmet. „Ich habe keine Probleme mit der Krankheit. Ich möchte nur, dass es Valentina besser geht“, murmelt der 42-Jährige und erzählt: „Wir sind quasi zusammen aufgewachsen.“ Ihre Eltern seien aus Italien nach Deutschland gekommen, seine aus der Türkei. Beide Familien hätten sich gut verstanden. Valentina sei seine Jugendliebe gewesen. Sie ist 16, als die beiden zusammenkommen. Ein halbes Jahr später zeigt sich erstmals die Schuppenflechte an Knien sowie Ellenbogen – und wird schnell schlimmer, dramatisch schlimmer.
Sie versuchen
Zum Glück findet Valentina einen Dermatologen, der zuhört, versteht, versucht. Immer wieder gehen sie neue Wege. „Wir haben alternative und innovative Therapien probiert. Wir haben intensiv getestet, was die Beschwerden lindert und die Lebensqualität verbessert“, sagt Jörg Fränken, der seine Patientin ausdrücklich lobt: „Sie arbeitet sehr gut mit, beachtet Ratschläge und Empfehlungen genau. Sie gibt nicht auf, ist dankbar und freundlich“, sagt der Arzt, der in seiner Praxis in der kleinen Kreisstadt Schwelm bei Wuppertal rund 50 Psoriatiker mit Systemtherapien behandelt – also mit Medikamenten, die die Überreaktionen des körpereigenen Immunsystems hemmen.
„Bis vor etwa zehn Jahren konnten wir schwere Psoriasisfälle eigentlich nicht therapieren. Heute kann ich Patienten versprechen, dass selbst sehr schwere Erkrankungen zu 90 bis 95 Prozent abheilen. Moderne Biologika machen es möglich“, meint Fränken, der Ängste bei Betroffenen, aber auch Probleme offen anspricht. Heißt: Wenn ein Patient zum Beispiel für eine Biologika-Therapie nicht infrage komme, müsse das genau erklärt werden. „Klar, das kann enttäuschend sein. Aber nur eine gemeinsame Entscheidung kann letztlich zum Erfolg führen“, weiß der 61-Jährige und erläutert: „Wer die Therapievorgaben nicht absolut exakt einhält, den nehme ich aus dem Programm.“ Nicht zum Blutabnehmen kommen oder Spritzenintervalle versäumen, das gehe einfach nicht. Damit würde man die Wirkung der aufwendigen Therapie riskieren.
Sie vertrauen
Als Jörg Fränken Valentina berichtet, dass ein neues Biologikum auf den Markt kommt, steht schnell fest: Sie wollen es angehen. Noch kommen schwere Psoriasis- Schübe. Valentina wird von Depressionen geplagt, schämt sich in der Partnerschaft, hat Angst vor Besuch. Tochter Samantha traut sich kaum, Freundinnen einzuladen. „Wie erkläre ich ihnen, was meine Mutter hat?“, fragt sich die 9-Jährige. Der Druck auf die kleine Familie ist extrem. Die ersten Anwendungen bekommt Valentina in der Praxis Fränken. Anschließend spritzt sie sich selbst. Ihr wird präzise erklärt, wie das geht. Valentinas Haut ist schon nach kurzer Zeit nahezu erscheinungsfrei.
Sie schaffen
„Urlaub in Italien, endlich können wir wieder fahren!“ Valentina seufzt. Ihre Eltern kommen aus Apulien. Die Region formt den Absatz des italienischen „Stiefels“ und ist bekannt für pittoreske Hügelorte mit weiß getünchten Häusern, fruchtbares Ackerland und eine wunderschöne, fast endlos lange Küste an Adria und Ionischem Meer. 2016 war Familie Öztürk das letzte Mal im Hochsommer dort – und es war schrecklich. „Die Sonne und das Salzwasser haben mich richtig fertiggemacht. Ich habe unter meiner Krankheit sehr gelitten“, erinnert sich Valentina. Sie habe das zwar vorher gewusst. Aber Italien sei schließlich die Heimat ihrer Eltern. Doch nach dieser Erfahrung habe sie sich nicht mehr getraut. „Jetzt können wir wieder fahren“, jubelt die 37-Jährige. Ahmet und Samantha lächeln leicht. Als ob sie ihr Glück noch nicht fassen können.