Gleich hinter der Haustür hängt ein gutes Dutzend Baseball-Kappen, gestapelt auf Haken. Die vielen Styles und Farben verraten: Hier wohnt ein Sammler trendiger Kopfbedeckungen. Für Thomas Polzin sind sie aber weit mehr als Mode-Accessoires oder Sonnenschutz. Sie stehen als Symbol für eine Zeit, in der Psoriasis unübersehbare Zeichen auf dem Kopf des 41-Jährigen hinterlässt: dicke Plaques unter den Haaren, gerötete Haut auf der Stirn, rissige Stellen rund um Augen, Nase und Mund. Mittlerweile braucht Thomas den Sichtschutz nicht mehr. Dank einer innovativen Systemtherapie ist der Mann, der fast überall am Körper Schuppenflechte hatte, erscheinungsfrei.
Akzeptanz
Der Elektriker-Meister aus Bergheim bei Köln kann es manchmal noch gar nicht richtig fassen. Immer wieder wischt er über den Kopf und scheint darauf zu warten, dass Schuppen aus dem Haar fallen und den Boden bedecken. „Früher mussten wir tatsächlich mehrmals am Tag saugen. Jetzt gehen wir ein bis zweimal in der Woche durch das Haus“, sagt Ehefrau Nadine lächelnd und streichelt Thomas sanft über die Hand. Auch wenn der allzu vorsichtige Umgang mit seiner Haut gar nicht mehr nötig ist, da mittlerweile nichts mehr schmerzt.
„Für einen Handwerker ist Schuppenflechte schlimm, weil man sich während der Arbeit oft stößt und auch mal blutet“, erzählt Thomas, dessen Haut durch die lange Behandlung mit Kortison-Salbe dünn und empfindlich wurde wie Pergamentpapier. Dass er anders aussah und sich vorsichtig bewegen musste, das habe ihn oft deprimiert, gibt er zu. Doch der Mann, der voller Energie und Ideen steckt, kämpfte dagegen an. Statt sich zu verstecken und Probleme zu verschweigen, versuchte er, so offen wie möglich mit seiner Psoriasis umzugehen: „Blicke aushalten und mit Menschen über die Krankheit reden musste ich lernen. Es war für mich aber der richtige Weg, um nicht die Freude am Leben zu verlieren.“
Offenheit
Auf der Arbeit spricht Thomas Vorurteile an und gibt Schwächen zu. Er sagt jedem in dem Betrieb, in dem er sich vom Azubi zum Schichtleiter hochgearbeitet hat, der unsicher schaut oder zögert: „Du kannst mir die Hand geben, Schuppenflechte ist nicht ansteckend.“ Und den Kolleg*innen erklärte er, dass körperliche Belastungen wie langes Stehen und Knien sowie Hautverletzungen Psoriasis-Schübe verschlimmern oder sogar auslösen können. Die Ehrlichkeit sei immer gut angekommen, sagt Thomas, der heute die Einsätze der Elektriker im Werk plant.
Die Lust zu werkeln verlor der begabte Tüftler trotz der Einschränkungen nie. Das belegt sein Haus aus den 1970er-Jahren, das er vom muffigen Museum in einen echten Wohntraum verwandelt hat. Thomas gestaltete Wände und Böden um, sanierte die Bäder, installierte eine neue Küche und entwarf eine Terrasse mit Pergola, unter der die Polzins am liebsten mit Familie und Freunden grillen – im Sommer und auch im Winter. Das neueste Bauprojekt sind Eichenbohlen auf den Stufen der Betontreppe. Das i-Tüpfelchen: Die schicke neue Optik wird durch eingefräste LED-Streifen ergänzt. Sie leuchten im Dunkeln und senden feine Lichtsignale, die je nach Farbe beruhigen oder aufmuntern.
Verständnis
Thomas weiß, wie wichtig positive Gefühle sind. Die Psoriasis bricht bei ihm in der Pubertät aus. Es fing mit einer kleinen Stelle an. Doch nach ein paar Monaten juckt der ganze Körper. Schlimm trifft es ihn, wo alle es sehen können: auf dem Kopf, an Augen und Ohren, an Armen und Händen. Aber auch die Beine, der Rücken oder die Fingernägel sind befallen. In den nächsten beiden Jahrzehnten konsultiert Thomas etliche Hautärzt*innen. Er testet Lichttherapien, versucht verschiedene Lotionen sowie herkömmliche medikamentöse Behandlungen und cremt bei Schüben starke Kortison-Salben: Nichts wirkt dauerhaft.
„Ich bin ein selbstbewusster und fröhlicher Mensch, sonst hätte mich die Hoffnungslosigkeit vielleicht zerbrochen“, sagt Thomas und grinst Sohn Leon an. Zurück kommt ein strahlendes Kinderlächeln. Die Worte Psoriasis und Schuppen sind für den 7-Jährigen Alltag. Wie in einem Fragespiel „Was? Wie? Warum?“ klären die Eltern Leon regelmäßig auf – welche Funktionen die Haut bei Menschen übernimmt, wie schnell sie sich bei Psoriasis erneuert und wie das aussieht. Daher ist das Thema bei den Polzins so normal gewesen wie gemeinsam kochen, kuscheln auf dem Sofa oder rangeln beim Fußball im Garten. „Schweigen fördert Missverständnisse“, sagt Nadine und betont: „Auch unsere Beziehung hat die Krankheit nie belastet, weil wir ganz offen damit umgegangen sind.“
Hoffnung
Vom Tipp einer Bekannten im Ort hat Thomas seiner Frau natürlich auch sofort erzählt. Ob er etwas über innovative Therapieoptionen und ihre Wirkung wisse. Und ob er die Adresse einer Fachärztin brauche, wollte die Mutter von Leons Kindergartenfreund wissen, als ein Psoriasis-Schub ihm deutlich anzusehen war. Über innovative Behandlungen hatte er sich bereits informiert. Doch Thomas war unsicher, ob er überhaupt krank genug sei, und wollte sich weitere Enttäuschungen ersparen. Ein fataler Fehler, wie er heute zugibt. Gleich beim ersten Besuch diagnostiziert Dr. Ina Hadshiew seine schwere Psoriasis, die mit erheblichen Beeinträchtigungen seiner Lebensqualität einhergeht.
Die Kölner Dermatologin verschreibt eine Biologika-Therapie, die alles verändert. „Schon nach wenigen Wochen waren die Plaques einfach weg“, sagt Thomas und versucht den Wandel in Worte zu fassen: „Ich spüre keine Blicke mehr, fühle mich frei, lebe normal. Ich bin wie neu geboren.“ An die Zeit vorher, denkt der 41-Jährige nicht mehr. Als ob es die Qual der vergangenen 25 Jahre nie gegeben hätte. Noch nicht einmal zwölf Monate nimmt Thomas das Medikament jetzt und kann überhaupt nicht verstehen, warum er so lange damit gewartet hat. Seine Empfehlung für andere? Nie aufgeben und alle Möglichkeiten versuchen, ja, genau das würde er Betroffenen unbedingt raten.
Glück
Wie sehr sich Thomas verändert hat, fällt auf. Zwar hat er schon immer gute Laune verbreitet, doch nun sind zudem die Plaques weg, die rissigen Hände. Auf der Arbeit haben sie ihm dazu gratuliert. Seine Eltern sind überglücklich. Ehefrau Nadine streicht dauernd über Arme und Gesicht. Dann schmunzelt Thomas und genießt. Leon ist im Bilde. Sie haben ihm das Medikament gezeigt und erklärt, wie die Spritze funktioniert und was sie macht. Beim ersten Pieks war er dabei. Klar, der Papa war schon immer der Beste. Und nun rieseln auch keine Schuppen mehr.
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